verliebt & heartbroken

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Liebeserklärung an die Freie Szene NRW

Liebe Künstler*innen der Freien Szene NRW, liebe Freund*innen,

wir sind verliebt – und heartbroken.

Es war ein sehr aufregendes Jahr, in dem wir für FAVORITEN 2022 durch’s Land gefahren sind: Wir haben viel erlebt mit Euch, durften wunderbaren künstlerischen Arbeiten beiwohnen, durften Euch sehen, zuhören und konnten mit und durch Euch besondere Erfahrungen machen. Vielen Dank dafür.

Und nun standen wir vor der schweren Aufgabe, aus all diesen besonderen Erlebnissen, eine Auswahl treffen zu müssen, in der leider nur ein Bruchteil dieser Vielzahl an beeindruckenden Arbeiten Platz finden kann. Keine leichte Aufgabe und vor allem immer auch eine Aufgabe, die einerseits mit viel Lust und Freude verbunden ist, andererseits aber natürlich schwerfällt und schmerzlich ist. In Zahlen gesprochen: Wir haben im letzten Jahr über 500 Arbeiten gesehen und können nun „nur“ 30 Positionen einen Platz im Programm geben, das sind ca. 6%.

Wir drei, Anne, Margo und Sina, sind mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen in das letzte Jahr gestartet: Manche von uns kennen Euch schon sehr lange, andere bekommen erst jetzt das Privileg, die Szene und Euch besser kennenlernen zu dürfen. Im letzten Jahr sind wir zu Dauergästinnen der Bahn geworden, haben zehntausende Kilometer zurückgelegt und haben uns bemüht, so viele von Euch und Euren Arbeiten zu besuchen wie möglich.

Wir waren mit und zu Euch unterwegs und haben
in Mülheim Tee getrunken und über die Zukunft nachgedacht,
auf dem Fitnesstrainer in Bochum gesessen,
bei Menschenpyramiden in Herne mitgefiebert,
uns in Münster auf den Spuren von Insekten durch Gänge geschlängelt,
Ausflüge zu liebevollen Campingplätzen auf Düsseldorfer Bühnen gemacht.

Wir konnten
uns in Bielefeld auf die Yogamatte legen,
in Essen eine Live-Fernsehshow über das Wasser sehen,
in Bonn bewundern, wie Tanz aussieht, wenn alles Kopf steht,
uns auf Online-Roadtrips begeben,
einen Audiowalk am Telefon durch die eigene Wohnung machen.

Wir waren dabei, als
in einer als Spielshow getarnten Performance die Abendgage erkämpft wurde,
am Kölner Hafen ein Strudel aus fliegenden Zeitungen getobt hat.

Wir durften
Hochzeitpraktiken aus der Türkei kennenlernen,
neue Boybands anfeuern,
Hafer- oder Muttermilchshots trinken,
einen schillernden Rosengarten betreten,
der weltbesten Schweinsteiger-Imitation beiwohnen,
mit der glitternden Mariah Carey mitsingen,
an der letzten Messe teilnehmen,
keinen choreografierten Burger aus dem Schnelltanz-Imbiss bewundern,
Hunde als Performer*innen bestaunen,
Hörspiele zu Synapsen und dem Verhältnis zum eigenen Gehirn zuhören,
auf einer Bustour zu relevanten Orten der Rom*nija in Düsseldorf reisen,
in hybriden Planspielen verhandeln, wie mit einer neu entstandenen Fläche im Stadtraum umgegangen werden soll.

Wir waren
mit Heidi auf Spurensuche deutscher Familiengeschichte,
am nebligen Hafen mit einem Pinguin Grog trinken und konnten uns in einem Reisebüro austauschen, über alles was fehlt.

Die Liste ist lang und könnte noch viel länger sein, denn unser Fazit aus dieser Reise ist: Ihr seid großartig! Ihr macht uns verliebt!

Die Freie Szene NRWs ist enorm vielfältig und groß. Sie vereint eine Vielzahl von Genres, Generationen und Ansätzen. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass wir so viele Eurer Arbeiten sehen durften und waren beeindruckt. Und doch war es in dem Rahmen, den wir zur Verfügung haben, leider nicht möglich, alle Arbeiten zum Festival einzuladen. Mit der Entscheidung für etwas entscheidet man sich gleichzeitig auch gegen etwas. Das ist ein schmerzlicher Prozess und wir haben uns diese Entscheidungen nicht leicht gemacht.

Wir haben uns bemüht, für FAVORITEN 2022 ein Programm zusammen zu stellen, das die Vielstimmigkeit der Freien Szene NRW zeigt, dabei die vielen Orte im Blick hat, verschiedene Genres einbezieht und einer Diversität der Positionen Raum gibt.

Zu dieser Vielstimmigkeit gehören auch einige Arbeiten, speziell für ein junges Publikum, ebenso wie für ein erwachsenes. Wir sind interessiert an einem intergenerationalen Dialog, sodass alle Positionen mit einer Altersempfehlung versehen werden.

Mit dem Programm versuchen wir auch abzubilden, wie Ihr mit den letzten zwei Jahren umgegangen seid und welche künstlerischen Formen Ihr in der Pandemie gefunden habt.
So wird es einige künstlerische Arbeiten für den öffentlichen Raum, sowie ein vielseitiges Programm digitaler Produktionen geben.
Wir haben dem Festival das Motto (Un)Learning for possible futures gegeben und wollen uns gemeinsam damit auseinandersetzen, was es zu (ver)lernen gilt und wie bzw. von wem wir (ver)lernen können. Dieses – zugegeben recht weit gefasste – Motto haben wir auch in die Entscheidungen für die Auswahl des Programms mit einbezogen.

Und auch wir selbst wollen (ver)lernen:
Wir haben uns sehr über die Einladungen zu Euren Arbeiten auf verschiedenen Wegen gefreut und sind ihnen, so oft es ging, nachgekommen. Allerdings haben wir festgestellt, dass dieses Verfahren bei Euch und auch bei uns zu einigen Unklarheiten und Fragen geführt hat: Gilt die Einladung als Bewerbung? Soll ich mir den Festivalzeitraum festhalten? Wann bekomme ich eine Rückmeldung?
Dieses Verfahren ließ einiges in der Schwebe und hat stellenweise zu Missverständnissen, Verwirrung und Unmut geführt. In Zukunft möchten wir es klarer und transparenter gestalten. Für die nächste Festivalausgabe wird es deshalb ein Bewerbungsformular geben, das alle, die gerne eine Arbeit einreichen möchten, ausfüllen können. Darüber werdet ihr dann eine Rückmeldung darüber erhalten, ob Ihr Teil des Festivalprogramms seid oder nicht. In diesem Jahr ist dies leider noch nicht möglich gewesen. Wir möchten uns dafür bei Euch entschuldigen und hoffen auf Euer Verständnis.

Wir wollen aus dieser Erfahrung lernen. Wenn Ihr also Ideen und Vorschläge für das Verfahren habt, kommt damit gern auf uns zu. Ab Herbst dieses Jahres werdet Ihr zum neuen Einreichungsverfahren mehr Informationen auf unserer Website finden.

Wir möchten uns herzlich bei Euch bedanken, dass wir Euren wunderbaren Arbeiten beiwohnen durften, die uns sehr beeindruckt und nachhaltig beschäftigt haben. Wir freuen uns darauf, dass es weitergeht und wir auch für die Festivalausgabe 2024 die Gelegenheit dazu haben werden.

Doch nun laden wir Euch herzlich ein, vom 15. – 25. September nach Dortmund zu kommen zum FAVORITEN Festival 2022!
Eure Anne, Margo & Sina