INTERDEPENDENCE (AT)
Ignacia González Torres, Lorenzo Morales Lobos, Pablo Garretón
Im Jahr 2019 erlebte Chile einen der größten sozialen Ausbrüche des Landes. Die Proteste verliefen überwiegend friedlich. Präsident Piñera erklärte: „Wir befinden uns im Krieg gegen einen mächtigen Feind“. Die Medien bezeichneten die Demonstrant*innen als „Vandalen“, „Terroristen“ und „Un-Patrioten“. Die Polizei feuerte mit Schreckschusswaffen auf Zivilist*innen. Mehr als 400 Menschen waren von Augentraumata betroffen.
Manche betrachten den „Schlag“ als das physische Moment, das die Gewalt definiert. Andere bezeichnen wirtschaftliche und rechtliche Strukturen als „gewalttätig“, da sie auf Körper einwirken, auch wenn sie nicht immer die Form physischer Gewalt annehmen. Wie viel Macht haben Worte bei der Legitimierung der Gewaltanwendung gegen einen „Anderen“? Wer ist dieser „Andere“? Wer hat diesen „Anderen“ als Feind definiert?
In „The Force of Nonviolence“ (2021) sagt Judith Butler, dass „Gewaltlosigkeit eine Kritik dessen erfordert, was als Realität angesehen wird (…), die Möglichkeiten der Zugehörigkeit zu einem neuen politischen Imaginären eröffnet.“ In INTERDEPENDENCE erforschen wir, wie wir diesen kritischen Blick durch Audiodeskriptionen aus einer blinden Perspektive erzeugen und dadurch Szenarien von Gewalt in unserer Vorstellung verändern können. Es handelt sich um eine Klangperformance für blinde und nicht blinde Zuschauer*innen, die zeitgenössisches Theater, Klangkunst und Audiodeskription miteinander verbindet. Die Erzählung wird von Stimmen geleitet, die auf Spanisch, Englisch und Deutsch sprechen und reale Bilder von Gewalt, biografische Erinnerungen und spekulative Zukünfte beschreiben.
Ist es möglich, die Zusammenhänge der Gewalt durch die Audiodeskription zu rekonstruieren? Lassen sich Verbindungen, die durch Gewalt unterbrochen wurden, mit Worten wiederherstellen? Ein Versuch der Verarbeitung durch unsere Vorstellung.
Cast & Credits:
Von und mit: Ignacia González Torres, Lorenzo Morales Lobos, Pablo Garretón
Gast-Performerin: María F. Giacaman Hasbún
Lichtdesign: Nicolás Russi
Sounddesign: Pablo Garretón
Kostümdesign Beratung: Gabriela Torrejón Becerra
Mentoring: Johanna Freiburg
Über die Künstler*innnen
Ignacia González Torres ist Performerin und Theaterregisseurin in Köln. Sie studierte Schauspiel und absolvierte einen Master in Theaterwissenschaften in Chile. 2015 gründete sie die Theatergruppe Compañia de Teatro PERSONA, um Normen der Wahrnehmung zu hinterfragen und die Rolle von Sound im Theater zu erforschen. Seit 2021 ist sie Teil des Kollektivs what about: fuego und nahm an Festivals wie Politik im Freien Theater (Frankfurt) und Performing Arts Festival (Berlin) teil.
Pablo Garretón ist Komponist mit Interesse an Kammermusik mit Live-Elektronik, Multimedia und Klangkunst. Er studierte Komposition in Chile und absolvierte ein Masterstudium in elektronischer Musik und ein Konzertexamen an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. 2018 erhielt er den Kompositionspreis für elektronische Musik des Acht Brücken Festivals in Köln. Seit 2019 ist er Mitglied im Vorstand der Kölner Gesellschaft für Neue Musik.
Lorenzo Morales ist Telekommunikationstechniker. Er erblindete infolge einer Retinitis pigmentosa. Er arbeitete mit der audiovisuellen Produktionsfirma Almada Media zusammen, die auf Barrierefreiheit spezialisiert ist, und beriet mehr als 15 chilenische Dokumentarfilme bei der Produktion von Audiodeskription. Seit 2017 arbeitet er als Fotograf für Light Painting und ist Performer der Compañia de Teatro PERSONA.